

Von den ersten Schritten im Training bis zu den jubelnden Massen am Renntag. Hier erfährst du, was dich erwartet – mit Expertenwissen von OAC Head Coach Dathan Ritzenhein. Bist du bereit, Kilometer zu machen?
Text von Laura Markwardt. Fotos von Lea Kurth und Colin Wong.
Frag eine beliebige Person, die für einen Marathon trainiert, und du wirst dasselbe hören: Es ist ein Lifestyle. Zusätzlich liegt der Langstreckenlauf auch im Trend. Die Sport-App Strava zeigt in ihrem jüngsten Bericht, dass die Zahl der Marathonläufer*innen im Jahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 20 Prozent gestiegen ist.
Jeder dieser zurückgelegten Kilometer verkörpert ein heldenhaftes Vermächtnis: Der Begriff «Marathon» stammt aus der griechischen Antike. Der Legende nach lief ein Bote namens Pheidippides nach einer Schlacht bei Marathon nach Athen, um die Nachricht vom Sieg über die persischen Invasoren zu überbringen. Die Strecke, die er zurücklegte: 42.2 km. Diese Legende inspirierte die Gründer der modernen Olympischen Spiele, genau diese Strecke als Rennen zu gestalten. Und der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte.
Bist du bereit für deinen Marathon? Dann schnür deine Schuhe. Hier erfährst du, was dich erwartet.
«Training ist der Grundstein für einen erfolgreichen Marathon. Egal, ob du ein Vollzeitprofi bist oder nicht, Beständigkeit ist das Wichtigste», sagt Dathan Ritzenhein, Cheftrainer des On Athletics Club (OAC). Um Körper und Geist auf die Herausforderung vorzubereiten, ist ein strukturiertes Marathontraining erforderlich. Dieses dauert in der Regel 16 bis 20 Wochen.
-Langsam beginnen und nach und nach aufbauen: Beginne mit kürzeren Läufen und steigere deine Distanz allmählich. Die meisten Trainingspläne starten mit 24 bis 32 km pro Woche und werden mit 64 bis 80 km abgeschlossen.
-Lange Läufe: Die wahrscheinlich wichtigste Trainingseinheit, um deine Ausdauer zu verbessern, ist dein wöchentlicher langer Lauf. Diese Läufe beginnen in der Regel mit 10 bis 13 km und steigern sich allmählich auf 29 bis 35 km. Manchmal wird dieses Training auch als «Zone 2» bezeichnet. Der Schlüssel liegt hier darin, die hohe Distanz in einem gemütlichen Tempo zurückzulegen.
-Tempoarbeit und -läufe: Bau Geschwindigkeitsarbeit, Intervalltraining und Tempoläufe in dein Training ein, um schneller und ausdauernder zu werden. Wenn du das mit Hügeln und einem konstanten, herausfordernden Tempo kombinierst, wird dir bestimmt nicht langweilig.
- Ruhe und Regeneration: Unterschätze die Kraft von Ruhetagen und Erholungswochen nicht. Sie sind wichtig, um Verletzungen vorzubeugen und deinem Körper die Möglichkeit zu geben, sich an die Trainingsbelastung zu gewöhnen. «Dabei geht es nicht nur um das tägliche Training, sondern auch um all die kleinen Dinge, die ein höheres Trainingsvolumen ermöglichen», sagt Ritzenhein.
-Verstehe die Macht des «Tapering»: Tapering bedeutet, das Training vor dem Wettkampf zu reduzieren. Die Forschung zeigt, dass du den längsten Trainingslauf etwa 3-4 Wochen vor dem Rennen absolvieren solltest, um das beste Ergebnis zu erzielen.
Ritzenhein erklärt, dass es beim Training nicht nur darum geht, Kilometer zu sammeln. Es geht auch darum, eine Gewohnheit zu entwickeln. «Die Zeit zum Trainieren zu finden, ist eine Frage der Beständigkeit und der Gewohnheit. Finde eine Zeit, die dir am besten passt, und halte dich an diese Routine», sagt er.
«Es wird zur Gewohnheit – und es fällt dir leichter, die Arbeit reinzustecken. Ein Marathon ist viel Arbeit. Deshalb ist es wichtig, das richtige Gleichgewicht zu finden, um Tag für Tag trainieren zu können.»
Die Marathondistanz verlangt Respekt. Nicht nur im Hinblick auf die körperliche Ausdauer, sondern auch auf die mentale Stärke. Ein Marathon wird oft als «Rennen» bezeichnet. Aber denk daran, dass du die Strecke laufen und mehr über dich selbst erfahren willst, nicht einfach «rennen» – vor allem, wenn es dein erster Marathon ist.
-Respektiere die Distanz: Spoiler: Es ist ein grosser Sprung von kürzeren Läufen über 5 km oder natürlich dem Halbmarathon zum Marathon.
-Lerne dich beim Training kennen: «Du musst den Marathon auf dem Niveau laufen, das du im Training erreicht hast», erklärt Ritzenhein. «Es ist wichtig, dieses Niveau im Training herauszufinden. Denn im Gegensatz zu anderen Läufen gibt es beim Marathon kein Zurück mehr, sobald du die Startlinie überquert hast.»
- Mentale Vorbereitung: Bereite dich mental vor, indem du dir die Strecke vorstellst oder sie nach Möglichkeit im Training abläufst. Verfolg eine klare Pacing-Strategie und einen Plan für den Fall, dass es hart wird. Ein einfaches Mantra wie «Ich schaffe das» oder das Unterteilen der Strecke in Abschnitte oder Orientierungspunkte können helfen.
-Lerne von den Besten: Ritzenhein coachte die Marathonlegende und On Athletin Hellen Obiri zum Hattrick bei den World Marathon Major in Boston und New York 2023 und 2024. Hellen erklärt: «Alles hängt davon ab, wie du deinen Geist vorbereitest. Ich sage mir, dass ich weiter pushen muss. Mein Geist trägt viel zum Erfolg bei, vielleicht mehr als 50 Prozent der Arbeit.»
Die richtige Ernährung vor, während und nach dem Marathon ist entscheidend für deine Leistung und Erholung.
- Kohlenhydrate: In den Tagen vor dem Marathon solltest du deine Kohlenhydratzufuhr erhöhen, um deine Glykogenspeicher aufzufüllen. Das gibt dir die Energie, die du am Renntag brauchst.
-Ernährung am Renntag: Ritzenhein betont, dass Ernährung und Flüssigkeitszufuhr entscheidend sind. «Nimm früh und oft Flüssigkeit zu dir. Unabhängig von der Temperatur und der Strecke solltest du mit dem Rehydrieren und Essen beginnen, bevor du dich unwohl fühlst. Sonst summiert sich das über einen langen Zeitraum, und es ist unmöglich, den Rückstand aufzuholen, wenn du nicht früh genug beginnst.» Während des Marathons solltest du 30 bis 60 g Kohlenhydrate pro Stunde zu dir nehmen, in der Regel in Form von Gels, Gummis oder Sportdrinks. Damit sich dein Verdauungssystem an dieses Protokoll gewöhnt, übst du die Ernährung für den Wettkampftag am besten schon während deiner langen Läufe.
- Flüssigkeit: Bleibe hydriert, aber vermeide eine Überwässerung, die zu Hyponatriämie (niedriger Natriumspiegel) führen kann. Trinke gegen den Durst und erwäge Elektrolytzusätze, insbesondere bei wärmeren Temperaturen.
Die richtige Ausrüstung am Renntag kann den entscheidenden Unterschied ausmachen. Hier ist eine Checkliste mit den Essentials:
- Laufschuhe: Investiere in ein gutes Paar Marathonlaufschuhe. Achte darauf, dass sie eingelaufen, aber nicht abgenutzt sind, wenn du an den Start gehst. Idealerweise hast du die Schuhe schon bei den langen Läufen getragen (abwechselnd mit einem stützenden Langstreckenlaufschuh).
-Kleidung: Setze auf feuchtigkeitsableitende Stoffe und Socken, die nicht scheuern. Laufe schon vor dem grossen Tag in deiner Rennkleidung.
-Energiegürtel oder -weste: Erwäge es, einen Gürtel oder eine Weste zu tragen, wo du Gels, Wasser und andere wichtige Dinge aufbewahren kannst.
-Extras am Renntag: Vergiss nicht, eine Sonnenbrille, ein Cap oder ein Visier zum Schutz vor der Sonne einzupacken – sowie eine leichte Jacke für die Zeit vor und nach dem Rennen.
Am Renntag wird sich all deine harte Arbeit auszahlen. Aber es kann auch nervenaufreibend werden. Wovon wir sprechen:
-Nervosität vor- dem Rennen: Es ist normal, dass du vor dem Start ängstlich bist. Halt dich an deine Routine, komm früh an, und konzentriere dich auf deinen Rennplan. Schlaf in der Woche vor dem Marathon so viel wie möglich. Dann bist du gut ausgeruht, selbst wenn du in der Nacht vor dem Rennen nicht so gut schlafen kannst.
- Der Rennstart: Es ist offensichtlich, dass der Start aufregend ist. Beginne langsam, halte dein geplantes Tempo ein und widerstehe der Versuchung, mit der Menge davon zu sprinten. Ritzenhein erklärt, wie das richtige Pacing über Sieg oder Niederlage entscheiden kann: «Es ist wichtig, das richtige Tempo zu finden. Du musst ganz ein bisschen langsamer anfangen, als du denkst. Immer.»
- Während des -Rennens: Gewöhne dich an dein Tempo und konzentriere dich nur auf den nächsten Kilometer. Teile das Rennen in Abschnitte auf, damit die Strecke überschaubarer wird.
- Denke daran, dass du die Kontrolle hast: Wenn du auf eine «Wand» stösst, wird dich deine mentale Stärke weiterbringen. Bleibe in Bewegung, konzentriere dich auf einen Schritt nach dem anderen, und erinnere dich daran, warum du angefangen hast. «Der Geist kann viel überwinden, und der Körper sagt dir irgendwann, dass du aufhören sollst», sagt Ritzenhein. «Das macht das Laufen so bedeutungsvoll. Du hast die Kontrolle darüber, wie sehr du dich pushst.»
- Überqueren der Ziellinie: Das Gefühl, die Ziellinie zu überqueren, ist unglaublich. Nimm dir einen Moment Zeit, um das Erreichte zu geniessen: Du hast es geschafft! Beginne dann mit deiner Erholung.
«Jubelnde Fans können in harten Phasen eine grosse Hilfe sein. Und es wird hart werden, kein Zweifel», sagt Ritzenhein. «Es macht einen grossen Unterschied, wenn du Freund*innen oder Familie hast, die dich anfeuern. Wenn deine Beine dir sagen, du sollst aufhören, können dir die jubelnden Leute am Streckenrand einen kräftigen Schubs geben. So kommst du leichter ins Ziel.»
Dein erster Marathon ist eine Reise der körperlichen und mentalen Ausdauer. Mit dem richtigen Training, der richtigen Ernährung und der richtigen Einstellung bist du gut vorbereitet, um die Strecke zu bewältigen. Und du hast danach eine tolle Geschichte zu erzählen.
Denk daran, dass es nicht nur um das Rennen selbst geht, sondern um den Weg, der dich zur Startlinie führt. Sei dir bewusst, dass dein Training Auswirkungen auf Familie und Freund*innen haben wird – aber auch, dass dir deren Unterstützung helfen kann, deine Ziele zu erreichen.
«Sich mit positiver Energie zu umgeben, hilft, die negativen Gedanken, die man als Sportler*in hat, zu überwinden», sagt Ritzenhein. Vergiss nicht, dich bei all deinen Unterstützer*innen zu bedanken. Vielleicht stehen sie beim nächsten Mal mit dir an der Startlinie.