Profi-Tipps: Warm-ups und Cool-Downs fürs Laufen
Schweizer 1500m Meister und OAC Europe Läufer Tom Elmer weiss nicht nur, wie man schnell läuft. Das sind seine Tipps, wie man auch beim Warm-up und Cool-Down alles richtig macht.
Text von Robert Birnbaum Fotos von Lea Kurth
Eines ist klar: Warm-ups und Cool-downs gehören zum Sport einfach dazu. Sie regen den Kreislauf an, lockert Muskeln und Gelenke und steigert (oder senkt) kontinuierlich die Herzfrequenz. Wenige wissen das besser als Tom Elmer. Der fünffache Schweizer Meister über 1500m trainiert mit seinen Teamkolleg*innen vom OAC Europe mehrmals täglich – manchmal rasend schnell, manchmal beeindruckend lange. Kurz vor seinem ersten Wettkampf der Saison betont der Profi-Läufer im Gespräch, dass die richtige Vor- und Nachbereitung genauso wichtig sind wie das eigentliche Training.
«Es geht da einerseits um die mechanische Vorbereitung – also Muskeln, Gelenke, Sehnen –, damit man sich nicht verletzt. Gleichzeitig gibt es auch die physiologische Seite, man versucht hier die aeroben Energiesysteme (für lange Aktivitäten bei niedriger Intensität) Körper anzukurbeln», eröffnet Tom das Gespräch.
Damit reduziert man aber nicht nur das Verletzungsrisiko. Ein entspanntes Warm-up verhindert nämlich auch, dass man das Tempo zu früh anzieht und aus der Puste kommt. Für erfahrene Läufer*innen wie Tom gehört das zum Lauf-Einmaleins. Und sogar die Wissenschaft bestätigt das. Gut aufgewärmte Läufer*innen konnten laut einer Studie eine bessere Ausdauerleistung vorweisen als die unaufgewärmte Testgruppe. Kurz: Warm-ups vor dem Laufen lohnen sich doppelt.
«Wenn du dich richtig vorbereitest, zum Beispiel auf intensive Intervall-Sessions, dann kannst du das Training ab der ersten Wiederholung voll ausnutzen und musst dich im Tempo nicht zügeln. Klar, manchmal braucht man trotzdem ein bis zwei Intervalle, um wirklich drin zu sein, aber es macht den Start deutlich leichter. Mit einer stabilen Warm-up-Routine sendet der Kopf dem Körper ausserdem ein automatisches Signal, dass es jetzt gleich intensiv zugeht. Es ist also wichtig, auf eine relativ ähnliche Vorbereitung zu achten.»
Ist der Lauf einmal beendet, lockt der Gedanke, direkt unter die Dusche zu hüpfen und sich eine kalorienreiche Belohnung zu gönnen. Aber auch hier verstecken sich Möglichkeiten, mehr aus seinem Lauf zu machen. Der Körper freut sich zwar, wieder zur Ruhe zu kommen, doch ein Cool-down sollte trotzdem nicht zu kurz kommen. Jetzt gilt es, die Herzfrequenz zu senken, um die Blutverteilung im Körper wieder zu normalisieren. So wird vor allem Laktat, das sich beim Energiestoffwechsel in den Beinen ansammelt, «rausgespült». Das kann Muskelkater vorbeugen. Gleichzeitig sollte man aber aktiv bleiben, sodass die Herzfrequenz nicht zu stark sinkt. So werden die Muskeln ausreichend mit Proteinen versorgt, die essentiell für die Regeneration sind.
«Die Zeit und Mühe, die man beim Warm-up investiert hat, sollte man dann auch beim Cool-down einsetzen. Ob man jetzt am Anfang 15 Minuten entspanntes Tempo oder fünf Minuten Spazieren erledigt hat, würde ich dann nach dem Lauf dasselbe auch ins Cool-down integrieren. So wie man sich vor dem Lauf hochgefahren hat, will man am Ende auch wieder runterfahren.»
Kann ich es auch mal auslassen?
Jeder kennt die Tage, an denen man eigentlich am liebsten auf der Couch bleiben würde. Da ist die Versuchung gross, das Warm-up und Cool-down so kurz wie möglich zu halten – oder ganz zu überspringen. So spart man ja eigentlich nur Zeit und Energie, oder?
«Wenn man sich mal nicht so gut fühlt oder nicht so motiviert ist, ist es umso wichtiger, sich vorzubereiten. Danach fällt es einem nur leichter. Wer sich die Zeit für ein gutes Aufwärmen nimmt, erhöht die Chance, trotz wenig Energie oder Motivation eine gute Einheit zu haben.»
Dabei meint Tom natürlich nicht, dass man die Signale seines Körpers ignorieren sollte.
«Wenn ich mich nach der Vorbereitung immer noch nicht fit fühle, würde ich das Training deutlich entschärfen. Ich versuche die Dauer oder Distanz der geplanten Einheit einzuhalten, aber schraube das Tempo runter.»
Wie lange sollten Warm-up und Cool-down sein?
«Unabhängig von der Distanz würde ich jeweils mindestens 10-15 Minuten fürs Aufwärmen und Runterfahren vorschlagen. Wenn man sich nach dem Warm-up super fühlt, dann kann man beruhigt loslegen. Falls man sich noch nicht bereit für die geplante Session fühlt, sollte man noch etwas mehr Zeit ins Aufwärmen investieren.»
Natürlich macht es einen Unterschied, welche Art von Lauf man plant – zum Beispiel intensive Intervalle oder einen gemütlichen Long Run.
«Wir laufen auch oft ganz locker, da machen wir keine aktive Vor- oder Nachbereitung. Es kann sein, dass wir vor dem Lauf noch ein bisschen die Blackroll benutzen oder uns dehnen und einzelne Muskelgruppen aktivieren. Vor unseren Intervalleinheiten haben wir immer ein durchstrukturiertes Warm-up. Da laufen wir uns erstmal für rund drei Kilometer warm – von leichtem Joggen über Steigerungsläufe. Je intensiver die Einheit, desto mehr beschleunigen wir gegen Ende des Warm-ups. So kommt der Körper in Schwung und wir aktivieren den anaeroben Stoffwechsel (für intensive Aktivitäten mit kurzer Dauer). Dann machen wir eine kurze Pause mit ein paar Dehn- und Aktivierungsübungen und dann geht das eigentliche Workout los.»
Wie weiss ich, dass ich warm genug bin?
Für einen erfahrenen Läufer wie Tom stellt sich diese Frage meistens nicht. Durch sein Körpergefühl und die angesammelte Trainingserfahrung spürt er eindeutig, ob er bereit für mehr Intensität ist, oder noch Zeit zum Akklimatisieren braucht. Wer nur zum Spass oder zu Trainingszwecken läuft, dem fehlt dieses Einschätzungsvermögen möglicherweise noch. Denn der Körper sendet meist klare Signale.
«Man kriegt mehr Lust zu laufen, es fühlt sich einfacher an. Fühlt sich der Gedanke an die geplante Einheit leicht oder eher überfordernd an? Das muss man sich dann in dem Moment fragen.»
Toms Warm-up- und Cool-down-Routine
Warm-up
1. 10-15 Minuten gemütliches Jogging (Alternativ: Spazieren und dabei regelmässig die Arme aktiv schwingen)
2. Dynamisches Stretching (rhythmisch und schwunghaft)
- Waden: Mit den Fussballen auf einer Stufe oder Treppe stehen und Fersen absinken lassen.
- Oberschenkel: Fuss hinter dem Körper nach oben ziehen, Hüfte möglichst nach vorne schieben.
- Hamstrings: Mit möglichst durchgestreckten Beinen nach vorne und unten beugen.
3. Spezifische Muskelaktivierung
«Die Gesässmuskeln sind sehr wichtig, um die ganze Beinachse zu stabilisieren. Wenn die Glutes viel vom Stoss beim Landen abfangen, kann man die Knie damit gut entlasten. Da geht es nicht um die Kräftigung der Muskulatur, sondern darum, sie richtig anzusteuern. Das muss man erstmal lernen. So können sie ihre Funktion richtig ausüben. Man will das Gesäss möglichst isoliert benutzen und spüren. Dafür benutzen wir Therabänder, die wir um die Oberschenkel spannen – zum Beispiel bei Glute Bridges oder Side Steps.
Man kann sich alternativ auch einfach im Sitzen darauf konzentrieren, die Gesässhälften unabhängig voneinander anzuspannen und zu aktivieren. So stärkt man die neuronale Verbindung zur Muskulatur.»
4. Drills
«Wir machen verschiedene Übungen, die den Körper auf die Stösse beim Laufen vorbereiten. Wir wärmen damit auch unsere Fussgelenke auf. Ich fokussiere mich auf meine Waden, um meine Achillessehne vorzubereiten. Andere konzentrieren sich eher auf ihren Rumpf, um den Rücken zu stabilisieren. Hier will man ein wenig Rhythmus in die Bewegungen bringen, um sich auf die Laufbewegung einzustellen.»
- Hopserlauf: Abwechselnd mit einem Bein ausgestreckt und dem anderen vor dem Körper angezogen nach oben und vorne springen.
- Kniehebelauf: Auf dem Fussballen schnelle, kleine Schritte nach vorne machen und dabei die Knie möglichst hoch ziehen.
- Anfersen: Auf den Fussballen schnelle, kleine Schritte machen und dabei mit den Fersen sanft gegen das Gesäss treten.
- Seilspringen: Mit oder ohne Seil möglich – Hauptsache die Fussgelenke werden aufgewärmt und die Arme sind in Bewegung.
- Steigerungsläufe: Langsam anfangen und das Tempo kontinuierlich erhöhen (3 × 100m oder 4 × 200 m).
Cool-down
1. 10-15 Minuten gemütlich auslaufen (Alternativ: Spazieren und dabei regelmässig die Arme aktiv mitschwingen)
2. Statisches Stretching (Position jeweils 30-45 Sekunden halten)
«Welche Körperteile das Stretching am meisten brauchen, ist völlig individuell. Nach dem Training spürt man oft intuitiv, wo man dem Körper etwas mehr Aufmerksamkeit schenken sollte. Die Positionen sollte man nach dem Training statisch und länger halten, um die Muskeln wieder langzuziehen.»
- Waden: Mit den Fussballen auf einer Stufe oder Treppe stehen und Fersen absinken lassen.
- Oberschenkel: Fuss hinter dem Körper nach oben ziehen, Hüfte möglichst nach vorne schieben.
- Hamstrings: Mit möglichst durchgestreckten Beinen nach unten beugen.
Wie sagt man so schön? Nach dem Warm-up ist vor dem Cool-down. Die intensiven Trainingseinheiten dazwischen sind zwar oft anstrengender als das Aufwärmen und Runterfahren, aber sie bringen dich langfristig weiter. Vor allem, wenn man sie mit entspannten, aber weiten Läufen kombiniert – eine Trainingsmethode, auf die sich sogar OAC Coach Dathan Ritzenhein verlässt.
Wenn Warm-up, Training und Cool-downs nun gebongt sind, ist die letzte Geheimzutat zum Laufglück ein Ziel. Etwas, das man sich als Motivation vor Augen halten kann, wenn die Couch mal wieder einladender aussieht als das Paar Laufschuhe an der Tür. Für fortgeschrittene Läufer*innen könnte das zum Beispiel ein Marathon sein. Das einzige, was jetzt noch fehlt, ist der passende Marathon-Trainingsplan.