

Läufer\*innen können mit der Zeit verschiedene Wege einschlagen, aber oft beginnen sie am selben Punkt. Andre Coggins, On Community Lead in Grossbritannien (UK), verrät seine Lauftipps und seinen Laufplan für Einsteiger\*innen.
Text von Laura Markwardt. Fotos von Matthew Wong, Henry Hoang, Jerry Sun und Simon Roberts.
Egal, wie viele Kilometer du gelaufen bist oder wie viele Medaillen du gewonnen hast: Alle haben einmal angefangen.
Andre Coggins, On Community und Event Lead in Grossbritannien (UK) und Gründer der Laufcrew Mafia Moves im Nordosten Londons, erinnert sich daran, wie er vor 16 Jahren mit dem Laufen begann. Vor die Wahl gestellt, nach der Schule nachzusitzen oder mit einer «Raus mit dir»-Klausel an Bezirksmeisterschaften teilzunehmen, entschied sich Coggins für Letzteres.
Als er dieses Rennen gewann, erkannte Coggins sein verborgenes Potenzial für den Sport: «Danke an meinen Lehrer Mr. Marshall», lacht er.
Coggins wurde rasch in den örtlichen Leichtathletikverein Enfield and Haringey aufgenommen. «Ich war ein schwieriges Kind und Leichtathletik war meine Flucht», sagt Coggins. «Laufen bedeutete, dass ich mich auf mich selbst verlassen konnte. Ich konnte Verantwortung übernehmen und mich auf etwas konzentrieren, das ich wirklich liebte.»
Anschliessend studierte Coggins Sport und Pädagogik im Südwesten Londons. Er lief weiter und liess sich zum Lehrer ausbilden. Inzwischen, im Alter von 29 Jahren, hat ihn eine schwere Quad-Verletzung dazu veranlasst, sich nicht nur auf die Welt der Elitewettkämpfe zu fokussieren. Er hat eine vielseitige Rolle im Herzen einer diversen Lauf- und Bewegungscommunity übernommen.
Heute gehört es zu Coggins' Routine, Community-Läufe und Events im On Store zu organisieren sowie neue Alltagsathlet*innen bei ihren Läufen zu unterstützen. Und obwohl er bei fast allen grossen Marathons rund um den Globus beeindruckende Zeiten erreicht hat – nur Tokio und Boston stehen noch aus –, sagt Coggins: «Am meisten freue ich mich, wenn ich sehe, wie andere ihre Ziele erreichen.»
Hier ist sein Experten-Guide für Laufanfänger*innen.
«Bei Mafia Moves hatte ich immer Anfänger*innen, sogar komplette Neulinge», sagt Coggins. «Du solltest dich auf den ersten Lauf vorbereiten, indem du die Nacht vorher gut schläfst und morgens gut frühstückst – mindestens ein paar Stunden, bevor du dich richtig bewegst. Dann solltest du mit dem Gehen beginnen und das Tempo bis zum leichten Joggen mit Jogging-Geh-Intervallen steigern.»
Kurze Distanzen, ein lockeres Lauftempo und das Laufen in einer Schleife helfen am Anfang, sich mit der Umgebung vertraut zu machen und sich wohlzufühlen. Coggins schlägt gerne vor, Objekte in der Nähe, wie z.B. die nächste Strassenlaterne oder ein geparktes Auto, anzusteuern, um die Distanz als Anfänger\*in langsam zu erhöhen.
Coggins ist vorsichtig, wenn er über Geschwindigkeit spricht – Inklusion hat Vorrang. «Alle laufen in ihrem eigenen Tempo, ich mache niemandem Vorwürfe, der langsam läuft. Du darfst nicht vergessen, dass einige schon länger laufen als andere.»
Wenn du in einem Verein oder einem Team läufst, kommt es darauf an, wie du in die Community aufgenommen wirst. «Ich achte immer darauf, dass die Schnellsten einen Gang runterschalten und mit den hinteren Läufern\*innen weiterlaufen», sagt Coggins, «einfach damit sich alle willkommen fühlen und die Gruppe zusammen bleibt.»
Während seiner Zeit als Leichtathlet in Haringey und Enfield lernte Coggins einen britischen Trainer kennen. «Er vermittelte mir die Grundlagen, um meine Laufleistung zu verbessern: harte Arbeit, Hingabe und Konsistenz. Das hat mich seither nicht mehr losgelassen.»
Für den Anfang bedeutet das einfach, sich kleine, erreichbare Ziele zu setzen und beständig auf diese hinzuarbeiten.
«Pushe dich so lange, bis du dich wohlfühlst, wenn du dich ein wenig unwohl fühlst», empfiehlt Coggins. Lass genug Energie übrig, um ausgeruht in die nächste Trainingseinheit zu starten, aber denk daran: «Du wirst dich nicht verbessern, wenn du dich nicht ab und zu unwohl fühlst – auf eine gute Art und Weise.»
Überprüfe deine Körperhaltung und stell dich aufrecht hin. «Atme durch die Nase ein und durch den Mund aus», sagt Coggins, «kontrolliere deine Atmung so, dass du beim Einatmen fast zählst: Eins und zwei beim Einatmen und dann beim Ausatmen länger zählen. Übe diese Atemtechnik während des Laufens, damit sie sich natürlich anfühlt, bevor du das Tempo erhöhst.»
Coggins filmt sein Team oft in Aktion, und wenn du deine Form analysieren willst, solltest du andere bitten, dasselbe zu tun.
«Ich nehme Content auf, aber ich nehme auch alle Läufer*innen auf, damit ich ihnen helfen kann, sich zu verbessern. Dann hast du es auf Band – zum Beispiel, wenn eine Läuferin vorher krumm gelaufen ist und jetzt aufrecht läuft. Sie wird vielleicht nicht sofort schneller, aber es verbessert ihre Laufökonomie und sie macht marginale Fortschritte.»
Beim Fersenauftritt, also wie die Füsse den Boden berühren, kommt es auf die individuelle Biomechanik an. «Manche Menschen kommen mit der Ferse auf, andere neutral», sagt Coggins. «Es gibt keinen richtigen oder falschen Fersenauftritt, solange es sich für dich gut anfühlt.»
Konsistenz über eine längere Zeitdauer ist der beste Weg, das Laufen in den Alltag zu integrieren. Für Anfänger*innen empfiehlt Coggins, jeden zweiten Tag bis zu 30 Minuten lang zu trainieren.
«Ein Intervall-Laufplan für Anfänger\*innen könnte darin bestehen, eine Minute zu laufen und dazwischen 30 bis 45 Sekunden zu gehen», erklärt er. «Versuche, diese Intervalle aufzubauen und langsam zu steigern. Wenn du nach ein paar Trainingseinheiten 20 Intervalle geschafft hast, kannst du vielleicht anfangen, etwas länger ohne Pause zu laufen. Dann kannst du die Intervallzeit erhöhen und erste Fortschritte sehen.»
Wie bei Coggins' Mafia Moves gibt es überall auf der Welt Vereine und Teams, die Anfänger*innen willkommen heissen. Coggins empfiehlt Einsteiger*innen, diese zu besuchen. Von Clubläufen über lokale Lauftreffs bis hin zu Trainingseinheiten in Stores: Überall gibt es Gleichgesinnte, die sich gegenseitig unterstützen und motivieren können.
«Ein Laufteam sollte gemeinsam starten und ins Ziel kommen», sagt Coggins. «Lasst euer Ego an der Tür, egal welche Figur, welches Alter, welche Hautfarbe, welche sportlichen Fähigkeiten oder welchen Hintergrund ihr habt. Ihr seid alle hier, um euch zu bewegen und Erfahrungen auszutauschen. Und von dem Moment an, als ich das erste Mal dabei war, habe ich mich in die Idee einer Run Crew verliebt.»
Die richtige Ausrüstung kann bei den ersten Trainingseinheiten den Unterschied ausmachen, und gut sitzende Laufschuhe sind der Schlüssel. Coggins erinnert sich, dass er als Laufanfänger bei seinen ersten 1.500 Metern Canvas-Skateschuhe trug. «Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich sie immer noch habe, aber ich würde sie niemandem empfehlen», lacht er.
Heute rät er zu einer Balance zwischen Komfort und Technologie. Das muss nichts Kompliziertes sein: «Ich sage nicht: 'Okay, du hast eine Session absolviert, jetzt kaufen wir dir ein Paar Elite-Schuhe mit Karbonplatte'», sagt Coggins. «Es geht nur darum, einen Laufschuh zu finden, den du Tag für Tag auf leichten Strecken tragen kannst. Ich schwöre auf den Cloudrunner, den Cloudgo und den Cloudstratus.»
Was die Kleidung betrifft, so orientiert sich Coggins am Wetter: «Es ist üblich, zu viele oder zu wenige Schichten zu tragen. Meine Regel bei Mafia Moves ist, bei niedrigen Temperaturen keine Shorts zu tragen. Wenn du Shorts über deinen Running Tights oder deiner Trainingshose trägst, ist das in Ordnung. Aber wenn du herumstehst und deine Muskeln der Kälte aussetzt, weil sie nicht geschützt sind, kann es zu Verletzungen kommen.
Cross-Training ist das Training in einer anderen Sportart als deiner Hauptdisziplin. Als Laufanfänger*in ist es vielleicht dein einziges Ziel, eine konsistente Routine zu entwickeln. Längerfristig kannst du deine metabolische Fitness aber auch durch Radfahren, Schwimmen und andere aerobe Aktivitäten verbessern, die dir Spass machen – und so auch deine Leistung beim Laufen steigern.
«Obwohl ich mich auf einen Marathon vorbereite, mache ich jetzt ein Cross-Training mit Radfahren und Schwimmen», sagt Coggins. «Ich teste diese Trainingsstrategie, um zu sehen, wie sie sich auf meine Leistung beim Tokio Marathon 2024 auswirkt.»
Coggins fasst den Spass zusammen, eine neue Laufreise zu beginnen – du kannst deine eigenen Ziele setzen, und wenn du die Grundlagen beherrschst, gibt es unendlich viele Wege, um sie zu erreichen. «Es gibt keinen Trainingsplan mehr, der für alle passt», sagt er. Selbst erfahrene Läufer*innen lernen immer noch dazu.