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Kate Waugh: Mit einer Vision zum Erfolg

Für das Turnen ein Verlust, für den Triathlon ein Gewinn: Die junge britische Athletin Kate Waugh hat sich für 2024 eine herausragende Saison vorgenommen.

Text von Andy Waterman. Fotos von Orbital Studio.

21. August 2021, Edmonton, Kanada. Die 22-jährige britische Triathletin Kate Waugh hat im Finale der U23-Weltmeisterschaft soeben als Zehnte die Ziellinie überquert. Das ist ein gutes Ergebnis, aber Kate ist weder zufrieden noch traurig: Sie ist inspiriert. 

«Ich weiss noch, wie ich ins Ziel lief und dachte: Nächstes Jahr gewinne ich. Keine Frage, nächstes Jahr werde ich das Rennen gewinnen und U23-Weltmeisterin werden», erinnert sie sich. Kate, die gerade ihr Psychologiestudium abgeschlossen hatte, machte sich daran, den Erfolg zu visualisieren. «Jedes Training, das ich in den nächsten anderthalb Jahren absolviert habe, war auf dieses Rennen ausgerichtet», sagt sie.

Am 25. November 2022 trat Kate in Abu Dhabi gegen die schnellsten U23-Frauen der Welt an, ambitioniert und mit einem Plan. Und der Plan ging auf. Zehn Kilometer vor dem Ende der Radstrecke über die olympische Distanz (1‘500 m Schwimmen, 40 km Rad, 10 km Laufen) griff Kate die Spitzengruppe an und setzte sich ab. Ihre britische Teamkollegin Jessica Fullagar stiess zu ihr und beim letzten Wechsel auf die Laufstrecke hatte das Duo bereits 65 Sekunden Vorsprung auf die Verfolgerinnen. «Ich wusste, dass ich nicht nur durch meinen Lauf gewinnen konnte», sagte Kate. «Deshalb war mein Training darauf ausgerichtet, eine Ausreissergruppe zu bilden.»

«Ich weiss noch, wie ich ins Ziel kam und dachte: Nächstes Jahr gewinne ich. Keine Frage.»

Dieses Zeitpolster war alles, was Kate brauchte. Sie lief schnell und stark, blieb auf den letzten zehn Kilometern unter 35 Minuten und siegte mit 25 Sekunden Vorsprung auf ihre nächste Verfolgerin.

«Es war ein ganz besonderer Tag», sagt sie, «einfach zu wissen, dass ich mir etwas vornehmen und es erreichen kann. Ich habe dank dieses Rennens so viel Selbstvertrauen gewonnen.»

Für Kate folgte ein unglaublich erfolgreiches Jahr 2023, ihr erstes als Athletin unter den Erwachsenen. Mit ihrem siebten Platz beim Testevent für Paris 2024 im August gilt sie als potenzielle Olympiateilnehmerin – auch wenn sie den Startplatz noch nicht sicher hat. «Ich muss mich noch qualifizieren», sagt sie. «Das ist die Herkulesaufgabe, die vor mir liegt.» 

Nach dem siebten Platz in Paris folgte im September der zweite Platz beim WM-Finale der Elite-Frauen im spanischen Pontevedra: «Nach dem U23-Weltmeistertitel hatte ich mir zwei Podestplätze in Paris und Pontevedra vorgenommen», sagt sie. «Ehrlich gesagt kam ich mir etwas verrückt vor, als ich das meinem Trainer sagte, aber er hat mich voll unterstützt. Als ich beim Testevent in Paris Siebte wurde, war ich enttäuscht, dass ich mich nicht automatisch für die Olympischen Spiele qualifiziert hatte (ein Podestplatz hätte mir automatisch einen Startplatz eingebracht). Aber als ich in Pontevedra Zweite wurde, habe ich gemerkt: Wenn du die Latte hoch genug legst, bist du auch glücklich, wenn du nicht alles erreichst.»

Das Vereinigte Königreich ist stark im Triathlon, insbesondere auf der Olympischen Distanz, und Kate hat 2023 bewiesen, dass sie mit der Weltspitze mithalten kann. Anfang 2024 geht es darum, sich einen Startplatz in Paris zu verdienen. «Das Ziel ist», so Kate, «für unser wichtigstes Qualifikationsrennen, die WTS in Cagliari Ende Mai, fit und gesund zu sein. Wenn du dieses Rennen gewinnst, dann ist es eine sichere Sache, denke ich. Es soll keinen Zweifel mehr geben.»

«Wenn du die Latte hoch genug legst, bist du auch glücklich, wenn du nicht alles erreichst.»

Von aussen betrachtet, erscheint Kate Waughs Aufstieg im Triathlon kometenhaft. Bei genauerem Hinsehen erkennt man jedoch, dass sie einen zwanzigjährigen Weg hinter sich hat, obwohl sie selbst erst 25 Jahre alt ist. Aufgewachsen im Nordosten Englands, begann sie mit dem Schwimmen, wurde von ihrem radverrückten Vater und Grossvater auf Familienausflügen mitgenommen und machte bis zu ihrem zwölften Lebensjahr Gymnastik. Schon früh war sie vom Triathlon fasziniert. Bereits mit sieben oder acht Jahren gewann sie Rennen: «Ich habe es absolut geliebt. Ich mochte es, die drei Sportarten zu kombinieren», sagt sie.

Kate war froh, die reglementierte Welt des Turnens hinter sich zu lassen, aber sie schreibt dem Sport mehr zu, als ihre Liebe zum Prozess. «Es war sehr anstrengend, aber ich denke, es hat mir eine wirklich gute Basis gegeben. Es macht dich super stark, und ich glaube, ich habe eine Menge mitgenommen, was Rumpfstärke, Flexibilität, Disziplin und Timing angeht. Das war wirklich wichtig für mich.»

In Grossbritannien ist der Jugendsport weitgehend gleichberechtigt, aber im Teenageralter nimmt die Beteiligung von Mädchen drastisch ab. Hat Kate jemals daran gedacht, den Sport zugunsten ihrer akademischen Karriere oder ihres sozialen Lebens aufzugeben? 

«Zwischen 16 und 21 ist es wirklich schwer», sagt sie. «Ich wusste immer, dass ich Sport machen wollte, aber selbst dann war es hart. Ich war anders als die anderen – die wollten das ganze Wochenende abhängen und feiern. Ich bin dankbar, dass meine Mutter mich ermutigt hat, mit meinen Freund*innen zusammen zu sein, auch wenn ich dachte, ich müsste nur trainieren. Das hat mir einen gewissen Ausgleich gegeben, so dass ich heute das Gefühl habe, alles geben zu können.»

Fühlt sich Kate als junge, erfolgreiche Frau als Vorbild? Und empfindet sie den Erfolg als Druck oder als Privileg? «Druck ist ein Privileg», sagt sie sofort. «Ich finde es wirklich traurig, dass so viele Talente in jungen Jahren aufhören. Es ist immer noch ein Rätsel, vor allem bei den Frauen – wie kann man sie ermutigen, länger im Sport zu bleiben? Ich wollte immer helfen und Menschen ermutigen, ein Gleichgewicht in ihrem Leben zu finden und länger im Leistungssport zu bleiben, denn ich bin so froh, dass ich diese schwierigen Jahre durchgehalten habe.»

«Druck ist ein Privileg.»

Nachdem sie fünf Jahre lang in Leeds, dem britischen Triathlonzentrum, trainiert und studiert hatte, zog Kate mit ihrem Partner, dem Triathleten Max Stapely, in die wärmere Trainingsumgebung von Monte Gordo in Portugal. Es ist ein «Paradies für Läufer*innen», sagt sie. In den letzten Jahren ist der Ort zu einem beliebten Ziel für nordeuropäische Athlet*innen geworden, die auf der Suche nach Vitamin D und guten Trainingsbedingungen sind. 

Neben dem richtigen Training und der richtigen Ernährung besteht ein Teil der erheblichen mentalen Belastung beim Triathlon aus dem ganzen Drumherum: Triathlet*innen haben mehr Sponsor*innen als die meisten Einzelsportler*innen, Wettkämpfe auf der ganzen Welt erfordern komplexe Reisevorbereitungen, und selbst der Wäschebedarf kann bei mehr als 20 Trainings pro Woche doppelt so hoch sein wie bei Läufer*innen. Wie sieht ein typischer Tag für Kate aus?

«Wir müssen sehr diszipliniert mit unserer Zeit umgehen», sagt sie. «Am Ende kommt mein Training vor allem anderen. Aber ich will nicht lügen, es ist wirklich hart. Du musst rund um die Uhr diszipliniert sein.»

Als wir uns unterhalten, hat Kate gerade einen leichten Tag, nachdem sie am Vortag ein besonders hartes Training hatte. Doch selbst an einem leichten Tag trainiert sie dreimal. «Wie üblich an einem harten Tag», sagt sie, «standen wir gestern um 7:00 Uhr auf und machten einen Morgenlauf von etwa 50 Minuten. Danach hatten wir etwa eine Stunde Zeit, um zu frühstücken und zum Schwimmen zu gehen. Das waren etwa eineinhalb Stunden mit gleichmässigen, soliden Wiederholungen. Danach hatten wir etwa eine Stunde Pause, bevor wir zu einer zwei- bis dreistündigen Ausfahrt inklusive Hügeln aufbrachen. Abends sind wir in die Sauna gegangen, weil wir uns ein bisschen auf die Hitze vor Abu Dhabi vorbereiten wollten. Und dann waren wir noch mit ein paar Leuten aus der Gruppe essen. Ich glaube, gegen 22:30 Uhr sind wir schlafen gegangen. So sieht also ein Tag in meinem Leben aus.»

Triathlon mag eine Sportart mit drei Disziplinen sein, aber oft werden die Rennen beim Laufen gewonnen. Unter der Anleitung von Paulo Sousa läuft Kate mehr als je zuvor: «Ich laufe zwischen 65 und 80 km pro Woche und konzentriere mich hauptsächlich auf langsame, leichte Kilometer, um meinen Motor aufzubauen. In den Sessions machen wir einige Hügelläufe, die mehr auf Kraft basieren, dann einige schnellere Läufe am Dienstag und einige längere, langsamere Läufe am Samstag. Früher bin ich viel weniger Kilometer gelaufen und war besessen davon, schnell zu sein, aber ja, meine Läufe haben sich im letzten Jahr enorm verbessert. Am Anfang war ich wirklich besorgt, aber jetzt habe ich volles Vertrauen.»

Der Wechsel zu einem höheren Laufpensum hat bei Kate zu einem Umdenken bei den Schuhen geführt. «Ich trainiere immer im Cloudmonster», sagt sie, «und am Renntag kommen die Carbonschuhe zum Zug. Zu 90 Prozent der Zeit scheuen wir die Carbonschuhe. Vielleicht ziehen wir sie in den letzten Trainings vor dem Rennen an, um uns an das Gefühl zu gewöhnen, aber Paulo ist kein Fan von Trainings in Carbonschuhen, und ich verstehe das – du willst, dass die Beine arbeiten.»

Mit neuen, hochdotierten Wettkampfformaten und spannenden Athlet*innen aus allen Nischen des Triathlons wird 2024 ein aufregendes Jahr. Spüren die Athlet*innen dieses Interesse? «Ja, es ist eine aufregende Zeit für den Sport», sagt Kate. «Ich hoffe, dass alles dem Hype gerecht wird. Ich bin gespannt, wie die Leute ihre Kalender planen, denn natürlich kannst du nicht alles machen.»

«Heute habe ich das Gefühl, dass ich einfach alles geben kann.»

Kates Terminkalender steht und sie tut alles, was in ihrer Macht liegt, um dieses Jahr unvergesslich zu machen. «Ich lege sozusagen einen Schalter um, wenn ich in den Rennmodus gehe», sagt sie. «Ich glaube, es ist gut, diesen Schalter zu haben und in der Lage zu sein, die Energie im richtigen Moment zu kanalisieren.»

Kate wird nicht die Einzige sein, die in diesem Frühjahr in den Rennmodus wechselt. Aber mit ihrer Erfolgsbilanz hat sie gute Chancen, in dieser Saison nicht nur auf der Weltbühne, sondern auch auf dem Podium zu stehen.